Weiterstadt läuft und dreht sich

08.01.2021

Was ist aus dem einstimmigen Beschluss der Stadtverordneten­versammlung geworden?


Zuweilen ist es wichtig nachzufragen, was seit dem einstimmigen Beschluss der Stadtverordnetenversammlung im März 2019 zu unserem Antrag „Weiterstadt läuft und dreht sich“ geschehen ist.

Anfang 2019 hat die Fraktion von ALW-GRÜNE den Antrag „Weiterstadt läuft und dreht sich“ eingebracht. Ziel des Antrages war, „geeignete Maßnahmen zu ergreifen, Weiterstadt zur Stadt der Nahmobilität zu machen. Fuß- und Radverkehr soll sicher und angenehm gemacht, sowie direkte und schnelle Verbindungen sollen Radpendlern zur Verfügung gestellt werden.“

Der veränderte Antrag wurde am 14. März 2019 von der Stadtverordnetenversammlung einstimmig beschlossen. Unsere 13 Maßnahmenpunkte sind Teil des Beschlusses.

Der Bürgermeister sagte bis Ende 2019 – wohlgemerkt Ende 2019 und noch vor der COVID-19-Pandemie - einen Bericht zu. Dieser Bericht wurde nicht erstattet.

Mit unserer Anfrage vom 19. November 2020 wollten wir wissen, ob sich der Magistrat mit dem Auftrag der Stadtverordnetenversammlung beschäftigt habe und wenn ja, welche Aufträge erhielt die Verwaltung. Die Antwort liegt den Stadtverordneten seit 17. Dezember 2020 vor.

Zusammenfassend kann gesagt werden, nach den Antworten des Bürgermeisters hat sich der Magistrat 1 3/4 Jahre nicht mit diesem Auftrag der Stadtverordnetenversammlung befasst. Es ist also nichts geschehen.

Auf unsere Nachfrage, ob der Bürgermeister/Magistrat den Auftrag wirklich nicht beraten habe, wurde mit „nein“ geantwortet.

Davon abgesehen, dass wertvolle Zeit zur Einleitung der Mobilitätswende in Weiterstadt verstrichen ist, sehen wir die Nichtbefassung eines einstimmig durch die Stadtverordnetenversammlung beschlossenen Auftrages als Missachtung der Souveränität der Stadtverordnetenversammlung.

Nachfolgend eine Chronologie des Vorganges und die relevanten Dokumente. Die auch im Ratsinformationssystem der Stadt Weiterstadt einzusehen sind.

 

Das war unser Antrag Anfang 2019:

Nahmobilität - Weiterstadt läuft und dreht sich

Sehr geehrter Herr Dittrich,

bitte nehmen Sie folgenden Antrag auf die Tagesordnung der nächsten Stadtverordnetenversammlung:

Die Stadtverordnetenversammlung möge beschließen:

Der Magistrat wird beauftragt, geeignete Maßnahmen zu ergreifen, die Weiterstadt zur Stadt der Nahmobilität machen. Fuß- und Radverkehr soll sicher und angenehm gemacht werden sowie direkte und schnelle Verbindungen Radpendler zur Verfügung stellen.

Das Konzept soll alle Personengruppen einbeziehen, also Kinder, Erwachsene, Senioren und Menschen mit Behinderungen. Es soll auch berücksichtigen, dass Menschen auf Hilfsmittel zur Fortbewegung (z. B. Rollstuhl, Rollator) und auf Transportmittel (z. B. Kinderanhänger, Lastenfahrrad) benutzen.

Zur Erreichung der Ziele sicher, angenehm, direkt und schnell wird für wird zur Förderung der Nahmobilität ein Rad- und Fußwegeplan erstellt und umgesetzt. Soweit kommunale Grenzen überschritten werden, werden mit Nachbarkommunen die Anschlusspunkte abgestimmt.

Die Stadt Weiterstadt arbeitet dabei eng mit Nachbarkommunen sowie auf Nahmobilität spezialisierte überörtlichen Behörden und Organisationen zusammen.

Das Projekt „Nahmobilität – Weiterstadt läuft und dreht sich“ konzentriert sich auf

1. ein vernetztes Radwegesystem und Fahrradstraßen in Weiterstadt mit seinen Stadtteilen mit abgeflachten Übergängen und Einfädelungen, sicheren Übergängen in Kreuzungsbereichen und insbesondere Schutz vor rechtsabbiegenden Kraftfahrzeugen,

2. die Schaffung eines örtlichen Radschnellwegenetzes mit Anbindung an überörtliche Radschnellwege für Pendler,

3. den zügigen Umbau aller Bushaltestellen mit erhöhten Einstiegskanten,

4. getrennt vom motorisierten Verkehr verlaufenden Radwegen soweit auf Straßen Geschwindigkeiten von mehr als 30 Km je Stunde erlaubt sind, d. h. es werden eigene sichere Radstreifen geschaffen.

5. die Bereitstellung von ausreichend breiten Bürgersteigen, je nach Anforderungsgrad und ohne Hindernisse (z. B. abgestellte Autos, gastronomische Gegenstände, Plakate, Werbeträger, Postkästen, und sonstige auf-/abgestellte Gegenstände),

6. die Schaffung von insgesamt 1.000 Fahrradparkplätze ggf. zu Lasten von Autoparkplätzen.

7. die Freigabe der Einbahnstraßen – soweit noch nicht geschehen - für Radfahrer entgegen der Fahrtrichtung,

8. die Optimierung der kombinierten Nutzung von Rad und ÖPNV,

9. die Neuregelung der Parkräume in Weiterstadt mit dem Ziel, öffentlichen Verkehrsraum Fußgängern und Radfahrern zurückzugeben sowie öffentlichen Verkehrsraum nur noch eingeschränkt zum Dauerparken bereit zu stellen,

10. Schaffung von Anreizen für Anwohner, ihre Fahrzeuge auf ihren Grundstücken abzustellen,

11. die Schaffung und Einsatz einer Fahrradstreife der Kommunalpolizei

12. die konsequente Überwachung des ruhenden Verkehrs auf regelwidriges Verhalten und

13. die Sensibilisierung der Weiterstädterinnen und Weiterstädter für mehr Rad- und Fußverkehr.

Zur Erreichung der vorgenannten Ziele wird ein Fünfjahresplan erstellt, der rechtzeitig und ständig fortgeschrieben wird.

Der Finanzbedarf dieser Maßnahmen wird ermittelt und im jeweiligen Haushalt bereit gestellt.

Zur Erreichung der vorgenannten Ziele wird eine Produktstelle „Nahmobilität Weiterstadt“ geschaffen.

Soweit Maßnahmen zur Verbesserung des Rad- und Fußverkehrs beschlossen bzw. bereits in Angriff genommen wurden, werden diese konsequent umgesetzt. Sie werden insoweit aber Teil des Konzeptes „Nahmobilität – Weiterstadt läuft und dreht sich“.

In die Planungen werden der Behindertenbeirat, der Seniorenbeirat, die Gewerbevereine, die Schulen und Kindertageseinrichtungen, Vereine sowie insbesondere Interessenorganisation der Radfahrer, Fußgänger und Menschen mit Behinderungen aktiv eingebunden.

Die Anregungen, Hinweise und Gestaltungsvorschläge des bereits beschlossenen Verkehrsentwicklungsplanes zu Rad- und Fußverkehr werden konsequent umgesetzt.

Begründung: Die ALW will mit diesem Katalog an Maßnahmen den Fuß- und Radverkehr in Weiterstadt sicher, angenehm und für Pendler direkt und schnell machen. Menschen, die das Rad bereits benutzen bzw. auf das Rad umsteigen wollen sollen in Weiterstadt die besten Voraussetzungen vorfinden. Fußgänger sollen sich angenehm in Weiterstadt bewegen können.

Sowohl in vergleichbaren Kommunen der Bundesrepublik Deutschland aber auch Ländern wie Dänemark und Niederlande sind derartige Konzepte überzeugend umgesetzt. Sie sollten als Beispiele für das Weiterstädter Konzept Nahmobilität – Weiterstadt läuft und dreht sich herangezogen werden.

Finanzierung: Die Finanzierung erfolgt durch Bereitstellung städtischer Mittel aus dem Grundsteueraufkommen (analog der Finanzmittelbereitstellung der Mittel für die Straßen des motorisierten Verkehrs), ggf. auch Kürzung der Mittel für den Kraftverkehr sowie die Ausschöpfung der durch Bund und Land bereitgestellten Fördermittel.

Weitere Begründung erfolgt mündlich.

 

Das hat die Stadtverordnetenversammlung einstimmig beschlossen:

Die Stadtverordnetenversammlung fasst auf Empfehlung des Ausschusses für Stadtentwicklung, Umwelt und Verkehr folgenden Beschluss:

Die Drucksache 10/0688 wird zur weiteren Bearbeitung an den Magistrat überwiesen. Dabei wird der Magistrat beauftragt,

die in der Drucksache enthaltenen Maßnahmen auf Realisierbarkeit zu prüfen

die finanziellen Auswirkungen der geforderten Maßnahmen aufzuzeigen und darzustellen,

was bereits und in welchem Umfang umgesetzt wurde was sich zur Zeit in der Umsetzung befindet und was sich bereits in Planung befindet.

Weiterhin sind die Anregungen der Drucksache an die Arbeitskreise/Arbeitsgruppen „Darmstädter Straße“, „Fahrradwegkonzepte“ und den wieder zu belebenden Arbeitskreis „Verkehrsentwicklungsplan“ weiterzuleiten, mit der Bitte um eine Bewertung und Stellungnahme.

Abstimmungsergebnis: einstimmig

Auf Nachfrage der ALW-Fraktion sagt Bürgermeister Möller einen Sachstandsbericht bis Ende des Jahres zu.

 

Das haben wir am 19. November 2020 nachgefragt:

Anfrage zum Beschluss der Stadtverordnetenversammlung „Weiterstadt läuft und dreht sich“ vom 14. März 2019, Drucksache 10/0688

Sehr geehrter Herr Dittrich, die Stadtverordnetenversammlung hat am 14. März 2019 zur Drucksache Beschlüsse gefasst und den Magistrat umfangreich beauftragt.

Bürgermeister Möller hat zugesagt, dass ein Sachstandsbericht bis Ende des Jahres 2019 vorgelegt wird. Dies ist bedauerlicherweise bis heute nicht erfolgt.

Wir bitten deshalb zu diesem Themenkomplex um Beantwortung folgender Fragen:

1. Hat der Magistrat die in der Drucksache enthaltenen Maßnahmen auf Realisierbarkeit geprüft?2. Wenn ja, wann wurden die Beschlüsse gefasst?

3. Wenn ja, welche Beschlüsse hat der Magistrat zu jeder einzelnen der 13 Maßnahmen gefasst? Wir bitten um eine detaillierte Aufstellung.

4. Wenn nein, welche Gründe lagen dafür vor?

5. Hat der Magistrat die finanziellen Auswirkungen der geforderten Maßnahmen aufgezeigt?

6. Wenn ja, bitten um Vorlage der Aufstellung.

7. Wenn nein, warum hat der Magistrat die finanziellen Auswirkungen nicht aufgezeigt?

8. Wurden die Anregungen der Drucksache an die Arbeitskreise/Arbeitsgruppen „Darmstädter Straße“, „Fahrradwegekonzepte“ und den Arbeitskreis „Verkehrsentwicklungsplan“ weitergeleitet, mit der Bitte und um eine Bewertung und Stellungnahme?

9. Wenn ja, welche Bewertungen und Stellungnahmen liegen vor. Wir bitten um Vorlage.

10. Wenn nein, weshalb wurden die in der Beschlussvorlage aufgelisteten Arbeitskreise und Arbeitsgruppen nicht einbezogen?

11. Wenn nein, bitten um Darlegung der Gründe.

12. Welche Ergebnisse erbrachte die Auswertung der Erfassungsbögen „Bewertung Status-quo Nahmobilität Weiterstadt des Büros VAR+. Wir bitten um Vorlage der Auswertung und des festgestellten Handlungsbedarfs.

 

Das war die Antwort, vorgelegt zur Stadtverordnetenversammlung am 17. Dezember 2020:

Nahmobilität -Weiterstadt läuft und dreht sich; Beantwortung der Anfrage der ALW-Fraktion

Die Anfrage der ALW-Fraktion vom 8. November 2020 wird wie folgt beantwortet:

1.Hat der Magistrat die in der Drucksache enthaltenen Maßnahmen auf Realisierbarkeit geprüft?

Nein

2.Wenn ja, wann wurden die Beschlüsse gefasst?

entfällt

3.Wenn ja, welche Beschlüsse hat der Magistrat zu jeder einzelnen der 13 Maßnahmen gefasst? Wir bitten um eine detaillierte Aufstellung.

Entfällt

4.Wenn nein, welche Gründe lagen dafür vor?

Im September 2019 wurden Fördermittel beantragt, um mit Hilfe eines externen Büros den von der Arbeitsgemeinschaft Nahmobilität Hessen (AGNH) ausgearbeiteten „Nahmobilitäts-Check“ als Beurteilungsgrundlage durchzuführen. Die Auftragserteilung an das Büro VAR+ erfolgte im Januar 2020.

5.Hat der Magistrat die finanziellen Auswirkungen der geforderten Maßnahmen aufgezeigt?

nein

6.Wenn ja, bitte um Vorlage der Aufstellung.

entfällt

7.Wenn nein, warum hat der Magistrat die finanziellen Auswirkungen nicht aufgezeigt?

Die Maßnahmen wurden bisher nicht auf Realisierbarkeit geprüft (s.1).

8.Wurden die Anregungen der Drucksache an die Arbeitskreise/Arbeitsgruppen „Darmstädter Straße“, „Fahrradwegekonzepte“ und den Arbeitskreis „Verkehrsentwicklungsplan“ weitergeleitet, mit der Bitte und um eine Bewertung und Stellungnahme?

Nein

9.Wenn ja, welche Bewertungen und Stellungnahmen liegen vor. Wir bitten um Vorlage.

entfällt

10.Wenn nein, weshalb wurden die in der Beschlussvorlage aufgelisteten Arbeitskreise und Arbeitsgruppen nicht einbezogen?

Die Maßnahmen wurden bisher nicht auf Realisierbarkeit geprüft (s.1).

11.Wenn nein, bitte um Darlegung der Gründe.

Die Maßnahmen wurden bisher nicht auf Realisierbarkeit geprüft (s.1).

12.Welche Ergebnisse erbrachte die Auswertung der Erfassungsbögen „Bewertung Status-quo Nahmobilität Weiterstadt des Büros VAR+. Wir bitten um Vorlage der Auswertung und des festgestellten Handlungsbedarfs.

Der Prozess des „Nahmobilitäts-Check“ ist Corona-bedingt im Moment vorübergehend angehalten. Die Veröffentlichung einer nicht endgültig abgestimmten Auswertung wird nicht als zielführend erachtet. Nach Vorlage der endgültigen Auswertung werden die Gremien über den aktuellen Sachstand informiert, um über das weitere Vorgehen beraten und beschließen zu können.

Ralf Möller Bürgermeister